Arbeitsmedizin
Biomonitoring in der Arbeitsmedizin
Biomonitoring ist gemäß § 6 Abs. 2 der ArbMedVV [1] ein Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge, soweit dafür arbeitsmedizinisch anerkannte Analyseverfahren und geeignete Werte zur Beurteilung zur Verfügung stehen. Nach der Arbeitsmedizinischen Leitlinie der DGAUM [2] versteht man unter Biomonitoring in der Arbeitsmedizin die Untersuchung biologischen Materials der Beschäftigten, z. B. zur quantitativen Bestimmung von Gefahrstoffen, deren Metaboliten oder von biochemischen bzw. biologischen Parametern.
Im Vergleich zu Luftanalysen am Arbeitsplatz hat das Biomonitoring den maßgeblichen Vorteil, dass individuelle Faktoren erfasst werden können. Das gilt z.B. für den Umgang mit hautresorbierbaren Arbeitsstoffen oder bei der Arbeit unter besonderen Bedingungen (Hitze, Druck), die die Hautresorption von Schadstoffen fördern. In diesen Fällen ermöglichen Luftmessungen nur eine unzureichende Abschätzung der Belastungshöhe.
Zentrale Methoden des arbeitsmedizinischen Biomonitorings von Metallen sind AAS und ICP-MS. Insbesondere die ICP-MS leistet ein herausragendes Nachweisvermögen zur Bestimmung fast aller Metalle im Ultraspurenbereich und kann Expositionen am Arbeitsplatz nachweisen.
Zentrale Methoden des arbeitsmedizinischen Biomonitorings organischer Arbeitsstoffe sind GCMS, GC-MSMS und LC-MSMS. LC-MSMS Methoden haben stark an Bedeutung gewonnen in der Analytik polarer, hoch wasserlöslicher Metabolite, da oft Extraktions- und Derivatisierungsschritte entfallen. Die Empfindlichkeit der GC-MSMS und LC-MSMS Methoden ist meist hoch genug, um auch außerberufliche Belastungen zu erkennen.
Im Medizinischen Labor Bremen bieten wir zahlreiche Analysen von Metallen und organischen Arbeitsstoffen im Blut, Serum und Urin an. Wir haben ein umfangreiches Programm toxikologischer Untersuchungen aufgebaut, das sich an den Bedürfnissen der Arbeitsmedizin orientiert und dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand entspricht.
[1] Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge – ArbMedVV vom 18. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2768), zuletzt geändert am 23. 10. 2013 (BGBl. I S. 3882)
[2] Deutsche Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin, Arbeitsmedizinische Leitlinie Biomonitoring, AWMF-Register Nr. 002/027 (2013)
Exposition gegenüber Metallen
Analytische Methoden des Biomonitorings
Methoden des arbeitsmedizinischen Biomonitorings zur Feststellung einer Metallbelastung sind Atomabsorptions- und induktiv gekoppelte Plasma-Massenspektrometrie (AAS und ICP-MS). Damit lassen sich beispielweise Blei im Blut oder Nickel im Urin bestimmen.
Diese modernen Bestimmungsmethoden für Metalle werden noch ergänzt durch Kopplungsmethoden mit der Flüssigkeitschromatographie (HPLC) oder durch Massenspektrometer mit besonders hochwertiger Ausstattung (z.B. ICP-MS/MS). Im ersten Fall können so z.B. die Arsen-Verbindungen im Urin mit HPLC-ICP-MS noch differenziert werden und zwischen eindeutig kanzerogenem anorganischen Arsen oder weniger toxischen organischen Arsen-Verbindungen unterschieden werden [1]. Im zweiten Fall kann erst durch den Einsatz der MS/MS-Technologie z.B. Chrom im Blut oder Urin hochselektiv bestimmt werden.
[1] P. Heitland and H.D. Köster, Zbl Arbeitsmed 64, 386 (2014)
Auswahl des geeigneten Untersuchungsmaterials
Die Auswahl des richtigen Untersuchungsmaterials muss für jedes Element und jede arbeitsmedizinische oder toxikologische Fragestellung separat bewertet werden. Für Metalle, die hauptsächlich intrazellulär gebunden werden (z.B. Pb, Cd, Hg, Mn), eignet sich häufig das Vollblut als Untersuchungsmaterial. Bei anderen Metallen (z.B. Se, Al oder Zn) ist auch Plasma oder Serum sinnvoll. Für die meisten Metalle (z.B. As, Co, Cr, Ni, Pt, Tl, U, V, W) ist in der Arbeitsmedizin der Urin das geeignete Material. Häufig ist der geeignete Zeitpunkt der Probenahme nach der Schicht oder nach mehreren aufeinanderfolgenden Schichten.
Arbeitsstoff | Analysen | Untersuchungs-Material | Anwendungsbereiche |
---|---|---|---|
Arsen und anorg. Arsenverbindungen | Urin | Halbleiterindustrie | |
Blei und seine Verbindungen | Blut | Galvanikbetriebe | |
Cadmium und seine anorg. Verbindungen | Blut | Hüttenindustrie | |
Chrom und seine Verbindungen | Urin | Automobilindustrie | |
Gallium und seine anorg. Verbindungen | Gallium | Urin | Halbleiterindustrie |
Nickel und seine Verbindungen (leichtlöslich) | Urin | Automobilindustrie | |
Platin und seine anorg. Verbindungen | Platin | Urin | Krankenhäuser, Pharmaindustrie |
Quecksilber und seine anorg. Verbindungen |
| Blut | Elektro-Recycling |
Wolfram und seine anorg. Verbindungen | Wolfram | Urin | Beleuchtungsindustrie |
[1] DFG, MAK- und BAT-Werte Liste 2015
Exposition gegenüber organischen Arbeitsstoffen
Die Arbeitsstoffe aus der Gruppe der organischen Lösungsmittel spielen in vielen Industriezweigen eine wichtige Rolle. Die Anwendungen umfassen u. a. Bereiche der Pharmaindustrie, der Farbstoff-, Lack- und Klebstoffindustrie, sowie der Teilereinigung in der Metall –, Optik- und Automobilindustrie (z. B. Entfettung / Reinigung von Werkstücken in der Galvanik), um nur einige zu nennen.
Ein prominentes Beispiel für den Fortschritt des Biomonitorings in der Arbeitsmedizin ist Benzol, das lange Zeit industriell als Lösungsmittel genutzt wurde, weiterhin der Herstellung von Industriechemikalien (z. B. Ethylbenzol, Cyclohexan, Nitrobenzol) dient und auch bei der Erdölgewinnung und Raffination anfällt. Während die Routineanalytik früher neben Benzol im Blut auf unspezifische Metabolite wie z. B. Phenol im Urin beschränkt war, ist heutzutage die Messung spezifischer Metabolite mit unterschiedlichen Informationen Stand der Technik: Die tt-Muconsäure gilt als Marker für die genotoxische Wirkung des Benzols, während die spezifische S-Phenylmerkaptursäure den Entgiftungsweg wiederspiegelt.
Die modernen Headspace-GCMS Verfahren sind empfindlich genug, um den geringen, nicht metabolisierten Anteil von Benzol, Toluol, Xylol, Ethylbenzol und Styrol direkt im Urin zu messen. Vorteile dieser Methodik gegenüber der konventionellen Messung der Metabolite sind die höhere Spezifität im Biomonitoring und die hohe Effizienz, da Extraktions- und Derivatisierungsschritte entfallen. Erste gesundheitsbezogene Beurteilungswerte für unveränderte Lösungsmittel im Urin liegen vor, weitere werden sicherlich folgen.
Die Reduzierung neuro- und hepatotoxischer Lösungsmittel wie Hexan und halogenierte Kohlenwasserstoffe (CKW) in Bereichen der Industrie ist ein wichtiger Schritt in Richtung gesundheitlicher Prävention. Für die Ersatzstoffe wie Cyclohexan, Heptan, Alkohole, Ketone, Glykole, Glykolether, Trimethylbenzol, Cumol und N-Methyl-2-pyrrolidon die bei hoher Exposition gleichwohl Risiken bergen, bieten wir die relevanten Untersuchungsparameter im Urin an.
Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) sind natürlicher Bestandteil von Kohle und Erdöl und werden hauptsächlich bei der unvollständigen Verbrennung oder Schwelungsprozessen freigesetzt. Exponiert sind besonders Beschäftigte in der Erdölverarbeitung, Kokerei- und Hüttenindustrie, sowie bei der Aluminiumgewinnung durch Schmelzflußelektrolyse (Abbrand der Graphitanode). In der Bauwirtschaft sind Dämpfe aus erhitztem Bitumen eine bedeutende Expositionsquelle für PAK insbesondere für Beschäftigte im Straßenbau, Schornsteinfeger und Dachdecker. PAK-haltige Öle finden zudem Anwendung im Korrosionsschutz von Stahlkonstruktionen und im Holzschutz. Einzelne Vertreter der PAK werden als mögliches Humankarzinogen (Lungen- und Kehlkopfkrebs) eingestuft.
Etablierte Biomarker sind die Leitmetaboliten 1-Hydroxypyren und Naphthol, die wir im Urin mittels GC-MS messen. Die Bestimmung unveränderter PAK im Blut ist nicht sinnvoll infolge der raschen Metabolisierung.
In Deutschland wird über die Hälfte der Fläche landwirtschaftlich intensiv genutzt. Beschäftigte in Acker-, Garten-, Obst- und Weinbau haben Umgang mit einer Vielzahl von potentiell gesundheitsgefährdenden Pflanzenschutzmitteln und Bioziden. Häufig eingesetzte Wirkstoffe sind das Herbizid Glyphosat (RoundUp), die Insektizide aus der Gruppe der Neonicotinoide (z.B. Imidacloprid), Organophosphate, Pyrethroide und Phenoxycarbonsäuren. Belastungen von beruflich - und außerberuflich – exponierten Personen durch diese Substanzen können wir im Biomonitoring nachweisen. Die Nachweisstärke und Ergebnissicherheit, um die Marker im Urin messen zu können, liefern uns GC-MSMS und LC-MSMS Methoden.
Häufige Arbeitsstoffe in der Kunststoffindustrie sind Bisphenol-A (BPA), Phthalate, Organozinn-Verbindungen und Diisocyanate. BPA ist Ausgangsstoff für Polycarbonat- und Epoxidharz-Kuntsstoffe. Aus Diisocyanaten werden Polyurethane (PU) produziert, die zu PU-Schäumen verarbeitet oder in Lacken und Beschichtungen verwendet werden (z. B. Automobilindustrie). Phthalate werden als Weichmacher und Organozinnverbindungen (z. B. DBT) als Wärme - und Lichtschutzstabilisator bei der Produktion von Polyvinylchlorid (PVC) verarbeitet. Mögliche Belastungen der Beschäftigten durch diese Stoffe in der Produktion und Anwendung werden mit GC-MS und LC-MSMS Methoden in Urin und Blut überprüft.
PFTs werden großindustriell durch elektrochemische Fluorierung (ECF) oder Fluortelomerisierung hergestellt. Anwendungen sind in der Textilindustrie zur Herstellung atmungsaktiver Jacken auf Basis von Fluorpolymeren (z.B. Teflonfolie), in der Papierindutrie für schmutz-, fett- und wasserabweisenden Papiere und als Bestandteil von Feuerlöschmitten. Arbeitsstoffe sind u.a. Perfluorhexansäure (PFHexA), HFPO-DA und anderen Ersatzstoffen für die stark reglementierte, persistente Perfluoroctansäure (PFOA). Belastungen von Beschäftigten in der Herstellung und Verarbeitung durch diese Stoffe können im Plasma mittels LC-MSMS gemessen werden.
- PFTs [2 MB]
Alte Bekannte aus der Umweltmedizin wie Hexachlorbenzol (HCB), Hexachlorcyclohexan (HCH), Polychlorierte Biphenyle (PCB), PFTs und PAKs stehen wieder im Focus bei der arbeitsmedizinischen Überwachung der Beschäftigten in der Entsorgung von Altlasten. Hier sind u. a. Deponiematerialien, Transformatorenölen, Teeröl-behandelte Eisenbahnschwellen, Dachbedeckungen und Parkettböden zu nennen. Wir bieten die relevanten Untersuchungsparameter in EDTA-Blut und Urin an.
Industriezweig | Arbeitsstoff | Analyt |
---|---|---|
Farbstoff-, Lack- und Klebstoffindustrie | organische Lösungsmittel | Arbeitsstoffabhängig, z. B. Glykolether |
Automobilindustrie | organische Lösungsmittel | Arbeitsstoffabhängig, z.B. N-Methylpyrrolidon |
Erdölgewinnung und Raffination | Aromatische Lösungsmittel Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) | |
Kokerei -und Hüttenindustrie | PAKs | 1-Hydroxpyren, Naphthol |
Landwirtschaft | Herbizide Insektizide | |
Kunststoffindustrie | Bisphenol-A | Bisphenol-A |
Textilindustrie, Papierindustrie | Perfluorierte Tenside (PFTs) | Perfluoro(2-methyl-3-Oxahexanoic) acid (HFPO-DA , CAS 13252-13-6) |
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Helmut Dietrich
Köster
— Facharzt für Laboratoriumsmedizin; Lebensmittelchemiker —
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