Demenz
Bedingt durch die demographische Entwicklung der Bevölkerungsstruktur werden die nächsten Jahre einen deutlichen Anstieg der Demenzerkrankungen bringen. Ca. 25 % der 80- bis 89-Jährigen werden an Morbus Alzheimer erkranken. Verbesserte medikamentöse Behandlungsoptionen erhöhen die Notwendigkeit einer Früherkennung. Spezielle Laboruntersuchungen können hierbei wichtige Hilfestellungen geben. Genetische Risikofaktoren können aus dem EDTA-Blut durch die Genotypisierung des Apolipoprotein E erkannt werden, während eine Kombination mehrerer Liquoruntersuchungen zur labortechnischen Sicherung der Diagnose Morbus Alzheimer bzw. zur Differenzialdiagnose genutzt werden kann. Wichtig ist die kombinierte Betrachtung der Laborwerte im Zusammenhang mit klinischen und bildgebenden Verfahren, wie sie in unserer Labor-Fachinformation Laboruntersuchungen in der Demenzdiagnostik beschrieben ist.
Untersuchungsspektrum
Ein typisches Merkmal der Alzheimer-Demenz ist die verstärkte Bildung von Fibrillenbündeln in den Neuronen. Sie ist Folge einer Destabilisierung der neuronalen Mikrotubuli, welche im physiologischen Zustand offenbar durch verschiedene Tauproteine verhindert wird. Eine Erhöhung der messbaren Gesamt-Tau-Konzentration im Liquor hat sich als brauchbarer Indikator eines Nervenzelluntergangs erwiesen. Am besten untersucht ist diese Erhöhung in der Diagnostik des M. Alzheimer, jedoch ist altersabhängig schon bei Gesunden mit höheren Werten zu rechnen. Auch andere Erkrankungen mit Schädigung der Neuronen (degenerativ, entzündlich, vaskulär, tumorös) können zu erhöhten Tau-Werten im Liquor führen. Die höchsten Tau-Konzentrationen werden bei der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung und bei Hirninfarkten beobachtet. Zur Demenzdiagnostik empfiehlt sich deshalb immer die gleichzeitige Bestimmung auch des phospho-Tau, des ß-Amyloidproteins (1-42) und des Amyloid-Qutienten im Liquor.
Zur Probenentnahme und zum Transport kann für alle Analysen dasselbe Polypropylenröhrchen benutzt werden. Für längeren Transport bitte kühlen, aber nicht mehrfach wiederholt einfrieren und auftauen.
Nach heutigem Verständnis der Pathogenese der Alzheimer-Demenz führen enzymatische Störungen zu einer verstärkten Phosphorylierung der Tau-Proteine. Diese scheint die physiologische Stabilisierungsfunktion für die Mikrotubuli zu beeinträchtigen, so dass verstärkte Bündelbildung ("Alzheimer-Fibrillen") mit Zelluntergang resultiert. Laboranalytisch am besten charakterisiert ist ein Nachweisverfahren, mit dessen Hilfe die Hyperphosphorylierung in Position Threonin181 des Tau-Proteins im Liquor gemessen werden kann. Interessanterweise werden erhöhte phospho-Tau-Werte nach jetzigem Kenntnisstand vor allem bei Alzheimer-Demenz, aber nicht oder nur in viel geringerem Unfang bei anderen Demenzformen beobachtet, so dass dem Parameter auch große differenzialdiagnostische Bedeutung zukommt. So bleibt zum Beispiel selbst bei maximaler Erhöhung des Gesamt-Tau im Rahmen einer Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung das phospho-Tau in aller Regel normwertig.
Die histochemisch im demenziellen Hirn nachweisbaren, senilen Amyloidplaques setzen sich hauptsächlich aus proteolytischen Abbauprodukten des physiologischen Amyloidprecursorproteins APP, den sogenannten ß-Amyloidpeptiden (Aß-Peptiden) zusammen. Im Liquor von Patienten mit Alzheimer-Demenz werden typischerweise erniedrigte Werte des Aß1-42 Peptids bereits in relativ frühen Krankheitsstadien nachgewiesen. Der ursächliche Zusammenhang ist noch nicht abschließend geklärt, es liegt aber wohl nicht nur eine verstärkte Amyloidablagerung in den Plaques vor. Auch bei cerebraler Amyloidangiopathie, der amyotrophen Lateralsklerose und der Lewy-Körperchen-Demenz werden Erniedrigungen des Amyloidspiegels im Liquor beobachtet. Die Aussagekraft der Untersuchung wird durch die kombinierte Bestimmung mit dem Tau-Protein im Liquor wesentlich verbessert. Etliche Studien weisen darauf hin, dass die Sensitivität und Spezifität der Untersuchung auch noch durch die Bestimmung des Amyloidquotienten (Aß1-42 x 10/Aß1-40) erhöht werden kann.
ß-Amyloidplaques setzen sich hauptsächlich aus enzymatischen Abbauprodukten des ß-Amyloidvorläuferproteins (ß-APP) zusammen. Bei der Plaquebildung kommt es zu einer Abnahme der Liquorkonzentration des ß-Amyloid-1-42-Proteins (Aß1-42), während die Gesamtkonzentration aller Amyloidproteine und die des ß-Amyloids mit der höchsten Konzentration, nämlich Aß1-40, unverändert bleibt. Zahlreiche Studienergebnisse weisen darauf hin, dass durch die Berechnung des Quotienten aus Aß1-42 x 10 / Aß1-40 eine bessere Diskriminierung zwischen Alzheimer und Gesunden gelingt als durch die alleinige Aß1-42-Bestimmung. Durch die Kombination mit weiteren Parametern (Tau, pTau) können Sensitivität und Spezifität in Bereiche angehoben werden, die für medizinische Laboranalysen gefordert werden müssen.
Statistische Metaanalysen weisen auf genetische Risikofaktoren für eine Alzheimer-Demenz hin. Am besten charakterisiert wurde bisher die Typisierung des Apolipoproteins E. Vorliegen des Allels 4 (APO E4) bedingt offenbar ein wesentlich höheres Alzheimer-Risiko als andere Allele (vor allem des „Normaltyps“ APO E3), und verlagert den Beginn der Erkrankung um 8 bis 16 Jahre nach vorn. Alzheimer-Patienten mit dem APO E4 zeigen in der Liquoranalyse noch niedrigere ß-Amyloidwerte als bei anderem APO-E-Allel. Die homozygote Ausprägung APO E4/4 verstärkt diese Faktoren weiter. Die Bestimmung erfolgt als molekularbiologische Genotypisierung aus EDTA-Blut. Dementsprechend ist immer eine Einwilligungserklärung nach dem Gendiagnostikgesetz erforderlich.
Wichtig für diese Liquoranalysen ist die Präanalytik:
Bitte nur saubere Polypropylenröhrchen benutzen, Liquor gekühlt oder eingefroren lagern und versenden, aber wiederholte Einfrier- und Auftauzyklen vermeiden! Polycarbonat- und Glasröhrchen müssen unbedingt vermieden werden, da unvorhersehbare Adsorptionsphänomene der Analyten an die Probengefäßwand befürchtet werden müssen. Für Polystyrol liegen uneinheitliche Erfahrungen vor.
Ansprechpartner
bei medizinisch-fachlichen Fragestellungen:
Dr. med.
Andreas
Gerritzen
— Facharzt für Laboratoriumsmedizin und Mikrobiologie —
Tel.: +49 (0)421 2072-108
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